Rainer Maria Rilke hat viele Gedichte geschrieben, die mich ob ihrer Dichte beeindrucken.
Keine überflüssige Silbe. Die Pointe sitzt. Wie nur kann ein Mensch so mit Sprache spielen können. Wie kann er das, wie macht er das nur? Staunend lese und lausche ich dem Klang der Silben, die Worte, Sätze, Sinnmuster schaffen.
Hier die vier Gedichte, die mir seit vielen Jahren immer wieder begegnen. An ungewöhnlichen, überraschenden Stellen. Mein Lieblingsgedicht von Rilke ist seit langem: Der archaische Torso Apollos. Er ist, so weiß ich von vielen Dichter-Kollegen, für Künstler so etwas wie ein Wahlspruch. Und nicht nur für Künstler.
Archaischer Torso Apollos
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.
(Rainer Maria Rilke)
* mehr zu diesem Gedicht von Rilke: Sonett-Rilke-Apollo
Ich fürcht mich so
Ich fürcht mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle Dinge um.
(Rainer Maria Rilke)
Schlussstück
Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
(Rainer Maria Rilke)
Ich möchte dir
Ich möchte dir ein Liebes schenken,
das dich mir zur Vertrauten macht:
aus meinem Tag ein Deingedenken
und einen Traum aus meiner Nacht.
Mir ist, dass wir uns selig fänden
und dass du dann wie ein Geschmeid
mir lösest aus den müden Händen
die niebegehrte Zärtlichkeit.
(Rainer Maria Rilke)
Weitere Rilke Gedichte – Sonette
Quellen
- Text: Zum Gedicht /
- Bild: Foto von Holm von Egidy
Grad bei Twitter gefunden –
Grad bei Twitter gefunden – ein Gedicht von Rilke, soll wohl aus seinem Nachlass stammen.
Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? –
Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt –
Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; –
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.
Freundliche Grüße
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